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Im Laufe der Jahre hat die GTP in Kooperation mit verschiedensten Institutionen eine Vielzahl von theaterpädagogischen Projekten umgesetzt. Hier finden Sie eine Übersicht über abgeschlossene Projekte aus der Praxis.
Mächtig Gewaltig
MÄCHTIG GEWALTIG ist ein gewaltpräventives, theaterpädagogisches Projekt für Kinder und Jugendliche sowie für Tätige in Schulen und anderen sozialen Bereichen. Seit 1999 wurde es weit über 500-mal, meist in Schulklassen (alle Jahrgangsstufen, alle Schultypen) erfolgreich durchgeführt und laufend weiterentwickelt. Verschiedene Fortbildungen, Vorträge, Elternabende, systemische Beratung sowie Mediation im Konfliktfall runden das Angebot von MÄCHTIG GEWALTIG ab.
Im Rahmen von MÄCHTIG GEWALTIG trainieren Kinder und Jugendliche spielerisch ihre Wahrnehmung. Techniken aus der Theaterpädagogik und insbesondere des Improvisationstheaters eignen sich ideal, die Selbstwahrnehmung und die Fremdwahrnehmung zu schulen. Häufig wird das eigene und fremde Verhalten im Miteinander zu wenig wahrgenommen und/oder hinterfragt. Im spielerischen und szenischen Kontext können eingeschliffene Muster von z. B. gewalthaften Verhalten benannt, untersucht und ggf. verändert werden. Die Teilnehmenden werden hierdurch sensibler in der Wahrnehmung solcher und ähnlicher konflikthaften und/oder gewaltvollen Situationen. Sie trainieren ihre Selbstwahrnehmung – Was tue/fühle ich? – und ihre Fremdwahrnehmung: Was tun die anderen? Sie nehmen die Körpersprache der anderen wahr. Der gemeinsame Austausch von Beobachtungen, Gedanken und Erfahrungen ist dabei bedeutend, um eigene selbstbewusste Positionen zu entwickeln.
Theater für Menschenrechte
PROTERRA entwickelt in Kooperation mit Amnesty International Hannover, der Gesellschaft für Theaterpädagogik e.V. und Partnerschulen in der Region Hannover Theaterstücke, in denen anhand von ausgewählten Länderbeispielen die Menschenrechtsverletzungen in Afrika dargestellt werden.
Durch das von PROTERRA initiierte und von Amnesty International und der Gesellschaft für Theaterpädagogik begleitete Jugendtheaterprojekt soll der Blick für Menschenrechtsverletzungen im ‚fernen’ Afrika geschärft und das eigene Afrika-Bild hinterfragt werden.
Die Jugendlichen der beteiligten Partnerschulen in der Region Hannover haben während der vorbereitenden Workshops und während der Theaterarbeit die Möglichkeit ihre Fragen, Erfahrungen und Einschätzungen in die Theaterstücke zur Menschenrechtslage in Afrika einzubringen und einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herzustellen. Durch das Wissen über die universellen und unteilbaren Menschenrechte und durch Empathie soll das eigene Handeln und Engagement der Jugendlichen für Menschenrechte und entwicklungspolitische Themen gefördert werden.
Im Vordergrund des Jugendtheaterprojekts sollen die WSK-Rechte, Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf angemessenes Wohnen, Recht auf Gesundheit, Recht auf Bildung sowie Recht auf Wasser und Nahrung stehen. Neben der Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht von Staaten soll vor allem auch das Diskriminierungsverbot (z.B. Gesundheitsversorgung von ethnischen Minderheiten oder diskriminierungsfreier Zugang zur Bildung) diskutiert werden.
Szenisches Experimentieren im Jugendtheater für Menschenrechte
Die Schüler*innen der Partnerschulen sollen im Laufe des Projektes thematisch informiert, aufgeklärt und sensibilisiert werden. In der szenischen Arbeit schärfen sie durch Ausprobieren, Einfühlen, Assoziieren, Beobachten und Reflektieren ihre Wahrnehmung und gewinnen Als-Ob-Erfahrungen zu Motivationen, Interaktionszusammenhängen und Eskalationsprozessen in Situationen der Verletzung von Menschenrechten. Durch das Experimentieren mit Mustern von Macht und Gewalt empfinden die Spieler/innen oftmals das Bedürfnis zu persönlichen Stellungnahmen und Positionierungen zu den vorgenommen Konflikten und den darin beteiligten Figuren und ihren Haltungen. In diesem Prozess des Experimentierens können sich die Schüler/innen als soziale, politisch denkende und handelnde Individuen erleben. Die Arbeit mit Als-Ob-Erfahrungen in Konfliktsituationen erfordert eine reflektierte Methode mit einem theoretischen und begrifflichen Instrumentarium und klar definierten Grenzen. Eine solche Methode bietet die Hannöversche Lehrstückarbeit (vgl. Nölke & Weisberg 2010).
Die Lehrstückpraxis basiert auf einem eigenständigen theaterpädagogischen Konzept. Im Vergleich mit dem „Theater der Unterdrückten“ von Augusto Boal und dem „Szenischen Spiel“ oder den „Jeux Dramatiques“ bietet das Lehrstück ein vergleichsweise wissenschaftliches Instrumentarium zur „kollektiven Selbstverständigung“ an, welches sich in besonderem Maße zur Untersuchung sozialer Muster eignet. Im Jugendtheaterprojekt kann und soll keine Lehrstückarbeit im strengen Sinne geschehen. Stattdessen soll, mit Blick auf die genannten Lernziele, ein Kernstück der Lehrstück-Methode in den Darstellendes-Spiel-Unterricht übertragen werden: Das szenische Experimentieren mit Situationen, die von Macht oder Gewalt geprägt sind. Damit die spezielle Spielweise von den Theaterlehrer/innen fruchtbar zur Anwendung gebracht werden kann, müssen diese Theorie, Methoden und Spielregeln kennenlernen. Dazu können bestimmte Übungen und Spiele aus der universitären Spielpraxis vermittelt werden.
Nölke, Swantje & Weisberg, Jan (2010): Spielen, Erfahren, Verstehen – zur Arbeit an Haltungen in der hannöverschen Lehrstückpraxis. In: Zeitschrift für Theaterpädagogik, Heft 56, S. 44-45.
Lehrstück-Tagung in Bursa/Türkei
Vom 7. bis 11.April 2010 fand in Bursa/ Türkei eine Fachtagung zur Brechtschen Lehrstücktheorie und -Praxis statt. Das Fachkräfteprogramm „Brechts Theorie von der Kunst des Zusammenlebens und aktuelle Tendenzen in der Theaterpädagogik“, von der BAG Spiel und Theater federführend betreut, setzte damit die Reihe der Kooperationen mit der türkischen Partnerorganisation CDD fort. So kamen türkische Multiplikator*innen aus den Bereichen Schule, Theaterpädagogik und Schauspiel in dem Stadt am Marmarameer zusammen, um 5 Tage lang an verschiedenen Veranstaltungen zum Thema Lehrstück teilzunehmen. Workshops, Diskussionsrunden und Vorträge sollten einen Eindruck von den Potentialen des Lehrstücks vermitteln, von seinen verschiedenen Ausprägungen, seinen Methoden und seiner Geschichte und Praxis. Eröffnet wurde die Tagung mit einem Vortrag von Gerd Koch, der in Zusammenarbeit mit Florian Vaßen entstanden war und neben Überblicksinformationen zum Lehrstückspiel auch dessen historische Hintergründe beleuchtete. Verwendungszusammenhänge des Lehrstücks in der pädagogischen Arbeit, in politischen Zusammenhängen, methodische Schritte und Handlungsanregungen – ausgehend von Steinwegs Forschung – wurden vorgestellt.[1]
Ein weiterer Vortrag mit dem Titel „Das Lehrstück als Impuls: Brecht auf! Kleine Re-Lektüre der Lehrstücktheorie“, gehalten von Hans Martin Ritter, hatte im weiteren Verlauf der Tagung wiederum die theoretische Ebene des Lehrstücks im Blick – der Text ist in gekürzter Fassung in diesem Heft abgedruckt.
Es folgten verschiedene Workshop-Angebote, für die sich die Teilnehmer*innen im Vorfeld anmelden konnten. In Gruppen von 20 bis 30 Personen sollten nun unterschiedlichste praktische Zugänge zum Brechtschen Lehrstück vorgestellt und erprobt werden: Unter dem Titel „Lehrstück-Spiel: Creative Writing und Creative Drama“ bot Gerd Koch in zwei Kurzworkshops eine Spiel- und Schreibwerkstatt an, die, ausgehend von zwei Impulstexten Brechts das Verfassen eigener Texte zum Ziel hatte. „Bertolt Brecht hat ganz kleine Lehrstück-Szenen hinterlassen. Manchmal sind es auch nur Dialoge und Fragmente. Solche Texte regen an, eigene, neue Szenen zu schreiben und zu spielen. Bertolt Brecht ist dann der Stichwortgeber. Seine kleinen Texte sind Impulse, um aus eigenen Lebenserfahrungen „Creative Writing“ mit „Creative Drama“ zu verbinden. Die Schreibenden und Spielenden werden selbst zu Lehrstück-Autoren und -Autorinnen“, so Gerd Koch über seine Arbeit.
Hans Martin Ritters Kurzworkshop „Brecht/Eisler: Das Lied des Händlers/ Der Song von der Ware als szenisch-musikalische Aktion“ setzte den Schwerpunkt auf die ästhetisch-musikalische Dimension des Lehrstücks. „Die Akzentuierung des Ästhetischen in der Lehrstückarbeit an dieser Stelle war motiviert durch den Verfall des Ästhetischen in der Beschäftigung mit dem Brechtschen Lehrstück in den letzten Jahrzehnten zugunsten der Reflexion von Konflikten der Realität.“, wie Ritter in einem unveröffentlichten Manuskript ausführt. In Zusammenarbeit mit dem Bratschisten und Übersetzer Murat Akin wurde der Text auf Türkisch gesungen, rhythmisch-tänzerisch umgesetzt, chorisch gesprochen und so in verschiedenen Varianten (wild und lustig, elegant, aggressiv etc.) erprobt. Die drei- bis vierstündige Arbeit der Kurse diente dazu, ein musikalisches, textuelles, dramaturgisches „Muster“ zu erstellen, wobei die Musik „das anarchische Moment der Emotionen“ (Ritter) stärken und so vorschnelle Rationalisierungen des zentralen, im Text angelegten Konflikts verhindern sollte.
Neben diesen Kurzworkshops wurden drei längere Seminare angeboten, die eine intensive Auseinandersetzung mit der Lehrstückpraxis ermöglichten. Roger Fornoff arbeitete mit seiner Gruppe vier Tage lang zu Texten aus dem Brechtschen Fatzer-Fragment: Angelehnt an die Spielpraxis Reiner Steinwegs wurden hier zentrale Techniken und Methoden des Lehrstückspiels vermittelt und gemeinsam erprobt. Ganz ähnlich gelagert war der Beitrag von Jan Weisberg und Swantje Nölke, die mit der „Groschenszene“ aus Brechts „Der böse Baal der asoziale“ ebenfalls das Lehrstück-Spiel und die gemeinsame Reflexion des Gespielten zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit nahmen. In beiden Workshops konnte damit die szenische Auseinandersetzung mit Sozietät und Asozialität, angelegt bereits in den Texten und davon ausgehend weiterentwickelt innerhalb der Gruppen, intensiv erfolgen. Die Teilnehmer*innen hatten über das Experimentieren im eigentlichen Lehrstückspielen die Möglichkeit, selbst Erfahrungen zu sammeln und gleichzeitig zentrale Methodiken für die eigene Arbeit erproben und diskutieren zu können. Insbesondere das Spielen mit Haltungen und die Rolle des Spieltextes als „Sprachmaterial“, weniger als zu interpretierende Spielvorlage, stellten hierbei einen methodischen Schwerpunkt dar. „Besonders die Heterogenität der Gruppe, also die Tatsache, dass unterschiedliche Berufsgruppen und Altersstufen und damit auch unterschiedliche Interessenlagen und Biografien vertreten waren, hat die Arbeit in Bursa besonders spannend gemacht“ bemerkte Jan Weisberg im Nachhinein.
Jutta Heppekausen konzentrierte sich mit ihrer Gruppe und Brechts „Ja-Sager“ auf die Frage: Wie nützlich und wie veränderbar ist „der Brauch"? In der Auseinandersetzung mit dieser Frage wurden Konzepte wie sozialer Gestus und Habitus, aber auch ganz individuelle, persönliche Normen thematisch. „Konkrete Alltagsparallelen, private Themen wie Schwierigkeiten, sich von erwachsen werdenden Kindern zu verabschieden über Reibungen zwischen schulischen Werten und Werten im Elternhaus („Wessen Wort gilt?)“ , dem Gruppendruck in Seminaren gegenüber Außenseitern bis hin zu dem „Krieg im Süden“ und der Frage einer Teilnahme an Militäreinsätzen“ seien über diesen Ansatz bearbeitbar geworden, so Jutta Heppekausen über ihren Beitrag in Bursa. Ihr Workshop, sein Ansatz und dessen praktische Umsetzung im Übrigen werden von ihr an anderer Stelle in diesem Heft ausführlich vorgestellt.
Die Tagung ermöglichte den Beteiligten also eine Zusammenschau verschiedenster Annäherungen an das Brechtsche Lehrstück, unterschiedlicher Umsetzungen und variantenreicher Weiterentwicklungen in Theorie und Praxis. Damit wurde nicht zuletzt auch den TeamerInnen die Möglichkeit gegeben, über den jeweils eigenen Kontext hinaus in einen spannenden Austausch miteinander, aber auch mit den türkischen Mitspieler*innen und KollegInnen zu treten. Unser Dank dafür gilt den Veranstaltern für die Organisation einer spannenden und anregenden Tagung, den überaus motivierten und interessierten TeilnehmerInnen, besonders aber den Übersetzerinnen und Übersetzern, ohne die die intensive gemeinsame Arbeit unmöglich gewesen wäre.
"Hier. Sein. "
Theater und Migration
In einem halbjährigen Workshop erspielen 12 Teilnehmer*innen eines Spracherwerbskurses des ISK e.V. in Hannover vier Szenarien zum Thema: "Hier Sein". Begleitet von der Deutschlehrerin erstellen sie schriftliche Textfassungen über Erlebnisse bei der Wohnraumsuche, bei Antragsverfahren und auf der Jobsuche. Diese Texte begleitet von Videosquenzen, in denen Fragen aus dem Einbürgerungstest vorgelesen werden, bilden die Grundlage für die halbstündige Collage aus Sprech-und Bewegungstheater.
"Der Herr der Theater"
Theater mit Menschen mit Behinderung
Seit der Gründung der Theatergruppe der WfMB Burgdorf-Berkhöpen 2004 wurden unterschiedliche Aufführungsorte und Auftrittsformen ausprobiert. Dabei stand und steht der integrative Faktor des Mediums Theater stets im Vordergrund. Beispiele aus der Praxis hierfür:
„Walk Act“ auf dem Marktplatz Burgdorf, Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Burgdorf (Darstellendes Spiel), Theaterworkshop in Himbergen mit Teilnehmer*innen aus theaterpädagogischen Berufsfeldern, Auftritte in Sehnde, Bolzum und Burgdorf .
Teilnahme u.a. beim Klatschmohnfestival 2007, am Fest der Lebenshilfe 2008 in Hildesheim und beim Theaterfestival 2008 der Lebenshilfe in Lüneburg, integrativer Theaterworkshop des Theaterfestivals Klatschmohn. Die Gruppe möchte experimentieren, sich ausprobieren und ihre Produkte in der Öffentlichkeit präsentieren. Vernetzt in der WfbM Burgdorf/Berkhöpen erfahren wir die wichtige Unterstützung für die Organisation und Umsetzung unserer Arbeit vor Ort. Sei es u.a. ein speziell angefertigter Videokamera-Adapter für die Montage am Rollstuhl, der Erwerb einer Verstärkeranlage (durch eine Privatspende) oder die Begleitung bei Fahrten zu auswärtigen Auftritten.
Matthias Bittner // Moltkeplatz1 // 30163 Hannover // matthias.bittner@gmx.de